Effektivität der Reinfektionsprophylaxe von Harnwegsinfektionen

Effektivität der Reinfektionsprophylaxe von Harnwegsinfektionen

Eine antibakterielle Reinfektionsprophylaxe (Infektionsprophylaxe) wird durchgeführt, um fieberhafte Harnwegsinfektionen (Pyelonephritieden) zu vermeiden. Pyelonephritieden können zu Parenchymnarben der Nieren führen, die wiederum einen Bluthochdruck sowie eine Minderfunktion der Niere verursachen können.


Die antibakterielle Reinfektionspropylaxe wird insbesondere bei Vorliegen eines vesicoureteralen Refluxes (VUR) seit Jahrzehnten durchgeführt.


Es wird jedoch immer wieder die Frage gestellt, wie effektiv ist die Reinfektionsprophylaxe.


Insbesondere in Hinblick darauf, dass trotz Reinfektionspropylaxe eine Pyelonephritis auftreten kann, besteht die Frage, ob eine gute Überwachung des Kindes mit zuverlässigen Urinkontrollen immer bei Fieber und sofortiger Behandlung bei Nachweis einer Pyelonephritis nicht ebenso effektiv ist wie die Reinfektionsprophylaxe. Messparameter hierzu sind die Anzahl der Harnwegsinfektionen und die Häufigkeit von Nierenparenchymnarben.


Schon 1998 wurde von Garin EH et al. [1] bezweifelt, dass die Reinfektionsprophylaxe effektiv ist.

Seit 2006 wurden mehrere Arbeiten publiziert [2,3,4,5,6,7], die entweder keinen [2,4,5], oder nur einen Effekt (signifikant) bei VUR Grad III bei Jungen [3], oder nur einen moderaten Effekt einer Reduktion von symptomatischen Harnwegsinfektionen von 6-7-% nachweisen konnten [7]. Problem dieser Studien war meist eine kleine Fallzahl und ein sehr inhomogenes Kollektiv mit Kindern im Alter von 0-17 oder 18 Jahren [2,7].


Die beste und neueste Studie (bis Anfang 2014) zu dieser Fragestellung ist die schwedische Refluxstudie. Diese Studie ist die bis Anfang 2014 größte, aktuelle, randomisierte, multizentrische Studie zu diesem Thema und wurde 2010 publiziert [8,9,10,11]. Sie zeigte, dass Mädchen von einer Reinfektionsprophylaxe  bezüglich der Harnwegsinfektionen profitieren, während Jungen, möglicherweise wegen der ohnehin geringen Infektionsrate nach dem 1. Lebensjahr, nicht von der Prophylaxe zu profitieren scheinen (siehe Diagramm).

Auch bezüglich der neuen Parenchymnarben im DMSA-Scan profitieren Mädchen mehr als Jungen von der Reinfektionsprophylaxe.

Facit: 

Die Reinfektionsprophylaxe ist eine seit Jahrzehnten bewährte Therapie, die (insbesondere bei Mädchen) einen deutlichen Effekt bezüglich der Reduktion von Harnwegsinfektionen und Reduktion von neuen Parenchymnarben zeigt. Fraglich ist, ob Jungen nach dem ersten Lebensjahr von der Prophylaxe profitieren.


RIVUR Studie:

Im Juni 2014 wurde die RIVOR Studie publiziert [12]. In dieser Studie wurden 607 Kinder mit vesicoureteralem Reflux über die Dauer von zwei Jahren beobachtet. 302 Kinder bekamen eine antimikrobielle Prophylaxe, 305 Kinder ein Plazebo. Die Studie zeigte, dass das Risiko von fieberhaften Harnwegsinfektionen um 50 % durch eine antimikrobielle Prophylaxe reduziert werden konnte. D.h. auch diese große Studie zeigte einen Vorteil der antimikrobiellen Prophylaxe.


Literatur:


Garin EH, Campos A, Homsy Y(1998): Primary vesicoureteral reflux: rewiew of current concepts. Pediatr Nephrol 12: 249-256


Garin EH, Olavarria F, Garcia Nieto V et al. (2006): Clinical significance of primary vesicoureteral reflux and urinary antibiotic prophylaxis after acute pyelonephritis: a multicenter, randomized, controlled study. Pediatrics 117:626-632


Roussey-Kessler G, Gadjos V, Idres N et al. (2008): Antibiotic prophylaxis for prevention of recurrent urinary tract infection in children with low grade vesicoureteral reflux: results from a prospective randomized study. J Urol 179:674-679


Pennesi M, Travan L, Peratoner L et al. (2008):Is antibiotic prophylaxis in children with vesicoureteral reflux effective in preventing pyelonephritis and renal scars? A randomized, controled trial. Pediatrics 121: pe1489-1494


Montini G, Rigon L, Zuccetta P et al. (2008): Prophylaxis after first febrile urinary tract infection in children? A multicenter, randomized, controlled, noninferiority trial. Pediatrics 122: 1064-1071


Montini G, Hewitt I (2009): Urinary tract infections: to prophylaxis or not to prophylaxis? Periatr Nephrol 24: 1605-1609


Craig JC, Simpson JM, Williams G et al. (2009): Antibiotic prophylaxis and recurrent urinary tract infection in children. N Engl J Med 361:1748-1759


Brandström P, Esbjörner E, Herthelius M et al. (2010) The Swedish Reflux Trial in Children: I. Study Design and Study Population Characteristics. J Urol 184: 274-279

Holmendahl G, Brandström P, Läckgren G et al. (2010) The Swedish Reflux Trial in Children: II. Vesicoureteral reflux outcome. J Urol 184: 280-285


Brandström P, Esbjörner E, Herthelius M et al. (2010) The Swedish Reflux Trial in Children: III. Urinary Tract Infection Pattern. J Urol 184: 286-291


Brandström P, Neveus T, Sixt R et al. (2010) The Swedish Reflux Trial in Children:IV. renal damage. J Urol 184: 292-297


RIVUR Trial Investigators, Hobermann A, Greenfeld SP, Mattoo TK, Keren R, Mathews R, Pohl HG, Kropp BP, Skoog SJ, Nelson CP, Moxey-Mims M, Chesney RW, Carpenter MA (2014): Antimicrobial prophylaxis for children with vesicoureteral reflux. N Engl J Med 370: 2367-2376


 


Weitere Quellen: Beetz R (Vortrag) PÄDIATRIEUPDATE 2011 und 2014


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Dr. med. Manfred Reichert